Programm – China-Institut Frankfurt

Globales China – wie sich China in der Welt positioniert

Eine Vortragsreihe des China-Insituts an der Universität Frankfurt 2024

Spätestens mit Beginn der Corona-Pandemie wurde die Vermutung, dass die wirtschaftliche Globalisierung der Welt mit immer engerer Vernetzung und idealerweise größerer individueller Freiheit einhergehen würde widerlegt. Praktisch alle Staaten der Welt reagierten auf den Ausbruch der Pandemie mit Einschränkungen der Reisefreiheit, Lieferketten wurden unterbrochen, politische Freiheiten wurden beschränkt und neu ausbrechende kriegerische Konflikte drohen zu einem Normalfall in der postpandemischen Welt zu werden. Aber auch diese neue Phase der Unsicherheit entbindet Staaten nicht von der Notwendigkeit, sich in einer zunehmend unwirtlicher erscheinenden Welt zu positionieren. Das gilt keineswegs nur in Bezug auf die Außenpolitik, sondern genauso mit Blick auf eine Vielzahl von anderen Aspekten. Die Frage nach Methoden der Datenerhebung und der Verlässlichkeit von veröffentlichen Daten z.B. hat weitreichende Auswirkungen nicht nur auf die Bereitschaft ein Land in globale Wirtschaftsströme einzubinden, sondern auch auf alle Versuche, die Leistungsfähigkeit des Landes einzuschätzen – und damit auch seine relative Position in einer globalen Ordnung. Die Effizienz von Innovation und die Bedeutung, die die Regierung eines Landes ihr beimisst, sind unverzichtbare Gradmesser für die Position aber zunehmend auch die Ambitionen eines Landes. Die Frage schließlich, was unter „global“ überhaupt zu verstehen ist, stellen sich vor dem Hintergrund des Aufstieges des „Global South“ mit zunehmender Dringlichkeit. Die Vortragsreihe des China-Instituts „Globales China – wie sich China in der Welt positioniert“ setzt die letztjährigen Vorträge im Rahmen der Reihe „China in Xi Jinpings neuer Ära“ fort. Dem China-Institut ist es gelungen, hervorragende Spezialisten für Themen zu gewinnen, deren Bedeutung allgemein anerkannt ist, die aber selten in der gebotenen Tiefe und dem notwendigen kritischen Blick behandelt werden. Die Vortragsreihe versteht sich damit auch als ein Beitrag zu der vielbeschworenen „China-Kompetenz“, die – wenn wir davon ausgehen, dass China in der nahen Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen wird – keineswegs auf die Gruppe der akademischen Spezialisten beschränkt bleiben sollte, sondern tatsächlich auch ihren Widerhall in weiteren Gruppen der Bevölkerung finden muss.
 
November

Die zentrale Achse – Pekings Symbol imperialer und heutiger Macht wird Weltkulturerbe


25. November 2024 | Monday | Zeit: 18:00

Johnny Erling wird zum Thema „Die zentrale Achse – Pekings Symbol imperialer und heutiger Macht wird Weltkulturerbe“ vortragen.

21 Juroren der UNESCO brauchten 40 Minuten, um am 21. Juli ein bis 700 Jahre altes Gebäudeensemble im Zentrum der chinesischen Hauptstadt zum Welterbe zu erklären: Pekings 7,8 Kilomenter lange städtische Nord-Süd Achse. Sie bewilligten Chinas 2013 im Jahr des Machtantritts seines Staatspräsidenten Xi Jinping gestellten Antrag, obwohl das Projekt umstritten war. Denn entlang der erst neuzeitlich als Konzept gedachten Achse stehen nicht nur kaiserliche Bauten wie der Himmelstempel oder die Verbotene Stadt, sondern auch der Tiananmen-Platz mitsamt seinem Mao-Mausoleum. Auch sie sind nun Weltkulturerbe.

Johnny Erling, 1952, Studium an der Universität Frankfurt und an der Beida, Peking hat seit 1975 den Aufstieg der Volksrepublik miterleben können. Darunter berichtete er mehr als 25 Jahre als Korrespondent für die Frankfurter Rundschau und einen Zeitungspool (1985-1990) und später (1997-2019) für Die Welt und Österreichs Der Standard. Zwischenzeitlich vertrat er 1994 bis 1997 mit Sitz in Wuhan die Städtepartnerschaft mit Duisburg. Seit November 2019 lebt er mit seiner Familie in Bad Homburg.

 

Zeit: Montag, 25.11.2024 18:00 Uhr
Ort: Goethe-Universität Frankfurt am Main, Campus Westend, HZ 14

Unkostenbeitrag: 10 EUR, Studierende: 3 EUR, kostenfrei für Mitglieder des China-Instituts
Anmeldung: mehrer@em.uni-frankfurt.de

November

Chinas neue Produktivkräfte – eine empirische Einordnung


5. November 2024 | Tuesday | Zeit: 18:00

Prof. Dr. Philipp Böing (Goethe-Universität Frankfurt) wird zum Thema „Chinas neue Produktivkräfte – eine empirische Einordnung“ vortragen.

China hat große Ambitionen in Wissenschaft, Technologie und Innovation. Insbesondere durch den dynamischen Wandel Chinas vom Imitator zum Innovator und die in jüngster Zeit wieder gestiegene Priorität des Staates gegenüber dem Markt besteht jedoch Unklarheit über die aktuelle Entwicklung. Nach dem „Dritten Plenum“ im Juli 2024 betont die Kommunistische Partei mit den „Neuen Produktivkräften“ die zentrale Bedeutung des innovationsgetriebenen Produktivitätswachstums für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung – bei gleichzeitiger Priorisierung der nationalen Sicherheit und technologischen Souveränität in einem Umfeld zunehmender geopolitischer Friktionen. Dabei setzt China auf direkte Innovationssteuerung durch staatliche Forschungsinstitute und Staatsbetriebe, missionsorientierte Industrie- und Innovationspolitik sowie den Zugang zu ausländischem Wissen. Allerdings hat China in der Vergangenheit nicht nur ein vergleichsweise schwaches Produktivitätswachstum verzeichnet, auch der direkte Beitrag von Forschungsaktivitäten zur Produktivität ist geringer, was zum Teil auf die Zweckentfremdung und Fehlallokation staatlicher Forschungs-förderung zurückzuführen ist. Im internationalen Vergleich haben Chinas Forschungs- und Entwicklungsausgaben zwar kaufkraftbereinigt bis zu 80 Prozent des US-Niveaus erreicht. Dennoch ist China bislang technologisch vom Westen abhängig geblieben. Auf der anderen Seite haben chinesische Erfinder, insbesondere in chinesischen Privatunternehmen und Universitäten, ihre Abhängigkeit von ausländischem Wissen deutlich reduziert und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit, dass China bis 2049 den Sprung von der Werkbank der Welt an die Weltspitze in Wissenschaft, Technologie und Innovation schafft.

Prof. Dr. Philipp Böing ist Professor für Empirische Innovationsforschung mit Schwerpunkt China an der Goethe-Universität Frankfurt.

 

Zeit: Dienstag, 05.11.2024 18:00 Uhr
Ort: IHK Frankfurt am Main, Börsenplatz 4, 60313 Frankfurt

Unkostenbeitrag: 10 EUR, Studierende: 3 EUR, kostenfrei für Mitglieder des China-Instituts
Anmeldung: mehrer@em.uni-frankfurt.de

July

Globales China? Neue Ansätze zur Erforschung der globalen chinesischen Präsenzen im Lichte postwestlicher Wissensproduktion


1. July 2024 | Monday | Zeit: 18:00

Prof. Dr. Maximilian Mayer (Universität Bonn) wird zum Thema „Globales China? Neue Ansätze zur Erforschung der globalen chinesischen Präsenzen im Lichte postwestlicher Wissensproduktion“ vortragen.

Was ist mit „Global China“ gemeint? Es handelt sich um eine neue theoretische und analytische Ansätze, um chinesische Präsenzen weltweit zu untersuchen. Diese Perspektive fordert eine Neubewertung von Normen, Praktiken und Erkenntnissen und stellt etablierte Paradigmen in Frage. Als Teil der epistemischen Dekolonisierung sowie postkolonialer Umorientierungen ist „Global China“ ein zentraler Ort für normative Diskussionen, in denen die Provinzialisierung Europas und die Kontestation amerikanische Hegemonie diskutiert werden. China-Forschende sehen sich heute in der Tat mehr mit einer Politisierung ihrer Forschung konfrontiert, da von kognitiven Dissonanzen, Agenda-getriebenen Interpretationen, „Othering“ und binären Denkweisen geprägt sind. Weder die Linse des Kalten Krieges, noch die demokratisch-autoritäre Dualität sind hinreichend, um Chinas Rolle in den Weltordnungsveränderungen zu verstehen, wie es „Global China“ nahelegt. Gleichzeitig warnt diese Perspektive davor, das Phänomen des Globalen Chinas zu verwenden, um die Agenda der Volksrepublik China zu legitimieren oder zu verklären. „Global China“ ist damit ein epistemisches Herausforderung, das die westliche Vorherrschaft in wirtschaftlichen Angelegenheiten ebenso wie in der Wissensproduktion in Frage stellt ohne eine kritische Sicht auf Chinas globale Aktivitäten zu verlieren. Es geht um konkurrierende geopolitische Erzählungen der globalen Geschichte, Vorstellungen zukünftiger technologischer Verbindungen und alternative Interpretationen universeller Werte und Begriffe – die allerdings dynamisch bleiben und leicht von politischen Interessen vereinnahmt werden können, um hegemoniale Agenden zu legitimieren. Die Instrumentalisierung von Begriffen wie Anti-Kolonialismus und Neo-Kolonialismus durch verschiedene Akteure ist ein aussagekräftiges Beispiel dafür. In Bezug auf das Routledge Handbook on Global China werden drei epistemische Verpflichtungen für die Erforschung des Globalen Chinas vorgeschlagen: die Förderung verschiedener Standpunkte anstelle von binären und reduktionistischen Ansätzen, die Annahme nuancierter und historischer Analyseperspektiven auf Chinas transnationale Verflechtungen sowie nicht-deterministische Forschungsdesigns in Bezug auf Chinas Zukunft.

Dr. Maximilian Mayer ist Junior-Professor für Internationale Beziehungen und globale Technologiepolitik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Zuvor arbeitete er an der University of Nottingham Ningbo China, der Technischen Universität München, der Tongji University in Shanghai und am Center for Global Studies der Universität Bonn. Seine Forschungsinteressen umfassen Infrastrukturen und Technologie in der internationalen Politik sowie Chinas Technologie-, Außen- und Energiepolitik. Maximilian leitet die Nachwuchsforschungsgruppe „Infrastructures of China’s Modernity and Their Global Constitutive Effects”, die durch das Land Nordrhein-Westfalen gefördert wird.

 

Zeit: Montag, 01.07.2024 18:00 Uhr
Ort: Goethe-Universität Frankfurt am Main, Campus Westend, Casino 1.812

Unkostenbeitrag: 10 EUR, Studierende: 3 EUR, kostenfrei für Mitglieder des China-Instituts
Anmeldung: s.laue@em.uni-frankfurt.de

June

Mission Impossible? Die Planung wissenschaftlicher Innovationen in der Volksrepublik China

Goethe-Universität Frankfurt am Main, Campus Westend, Casino 1.812
3. June 2024 | Monday | Zeit: 18:00

Prof. Dr. Anna L. Ahlers (Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin / University of Oslo) wird zum Thema „Mission Impossible? Die Planung wissenschaftlicher Innovationen in der Volksrepublik China“ vortragen.

Die Volksrepublik China ist innerhalb von wenigen Jahrzehnten zu einem wissenschaftlichen Kraftzentrum geworden. Dies schlägt sich unter anderem beeindruckend in Publikationsstatistiken, Universitätsrankings, und der zunehmenden globalen Verbreitung technologischer Anwendungen aus China nieder. Während diese Entwicklungen zuvor in starkem Maße von Internationalisierungsstrategien geprägt waren, gibt es Anzeichen dafür, dass sich das chinesische Forschungssystem unter dem Eindruck geopolitischer Spannungen und innenpolitischer Umstellungen stärker abschließt. Zudem tritt jüngst, stärker als je zuvor seit der Einleitung von Reform  und Öffnung Ende der 1970er Jahre, der Anspruch einer zentralisierten staatlichen Planung von Forschung und Entwicklug hervor. Dieser Ansatz steht offensichtlich im Widerspruch zu den gängigen „westlichen“ Vorstellungen von günstigen Bedingungen für Wissenschaft und Innovation sowie für akademischen Fortschritt im weiteren Sinne. Der Vortrag erörtert woraus dieser Ansatz besteht und diskutiert Hinweise auf seine Erfolgschancen.

 

Zeit: Montag, 03.06.2024 18:00 Uhr
Ort: Goethe-Universität Frankfurt am Main, Campus Westend, Casino 1.812

Unkostenbeitrag: 10 EUR, Studierende: 3 EUR, kostenfrei für Mitglieder des China-Instituts
Anmeldung: s.laue@em.uni-frankfurt.de

April

Die chinesische Zahlenfabrik: Statistik im Spannungsfeld zwischen internationalen Standards und „chinesischen Eigenschaften“

Goethe-Universität Frankfurt am Main, Campus Westend, HZ 11
18. April 2024 | Thursday | Zeit: 18:00

Prof. Dr. Andrea Bréard (Universität Erlangen-Nürnberg) wird zum Thema „Die chinesische Zahlenfabrik: Statistik im Spannungsfeld zwischen internationalen Standards und „chinesischen Eigenschaften““ vortragen.

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat China wiederholt Anstrengungen unternommen, um explizit internationalen Standards entgegenzutreten, sowohl in der statistischen Methodik als auch in der zugrundeliegenden mathematischen Theorie.  Dabei wurden insbesondere chinesische Eigenschaften der Statistiken herausgearbeitet. Selbst wenn man also dem – nach einer vorübergehenden Pause im Herbst 2023 – aktuell vom Nationalen Statistischen Büro kommunizierten Wirtschaftswachstum von 5.2 % im Jahr 2023 Glauben schenkt, ist nicht sichergestellt, dass die zugrunde gelegte Berechnung des BIP die Zahl vergleichbar macht mit der anderer Industrienationen.

In dem Vortrag sollen die politisch-historisch Bedingungen analysiert werden, die zu Spannungen führten und immer wieder führen zwischen Chinas Bestrebungen, sich einerseits in eine globale quantifizierte Welt einzufügen, gleichzeitig dabei aber „chinesische Merkmale“ beibehalten möchte. Dieses Spannungsfeld bringt uns auch dazu, den kulturellen Charakter von Statistiken zu hinterfragen und die von internationalen Gremien erklärten normativen Ambitionen in Frage zu stellen.

Andrea Bréard war Professorin für Wissenschaftsgeschichte an der Université Paris-Saclay, Faculté des Sciences d’Orsay, bevor sie 2021 eine Alexander-von-Humboldt-Professur an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg führte, wo sie den Lehrstuhl für Sinologie mit Schwerpunkt auf Geistes- und Kulturgeschichte Chinas innehat. Ausgebildet als Mathematikerin, Sinologin und Wissenschaftshistorikerin arbeitet sie an der Schnittstelle zwischen mathematischen Wissenschaften und Sinologie, wobei ihre Forschungsthemen von der Antike bis ins 21. Jahrhundert reichen mit zahlreichen Publikationen zu Themen von der frühen Geschichte des Begriffs der Zahl in China bis zur globalen Wissensgeschichte der Statistik.

 

Zeit: Donnerstag, 18.04.2024 18:00 Uhr
Ort: Goethe-Universität Frankfurt am Main, Campus Westend, HZ 11

Unkostenbeitrag: 10 EUR, Studierende: 3 EUR, kostenfrei für Mitglieder des China-Instituts
Anmeldung: s.laue@em.uni-frankfurt.de